Eigene Bar, Buchvertrag, Weltreise: Warum Zukunftsträumereien mich grantig und neidisch machen

Wollt ihr irgendwann eine Bar eröffnen, mit euren besten Freunden? Oder doch lieber als Reiseblogger durch aller Herren Länder tingeln und von euren genialen Worten leben? Oder wollt ihr ein Buch schreiben, über eure eigene, persönliche Geschichte, die so noch nie erzählt wurde?

Wollt ihr irgendwann eine Bar eröffnen, mit euren besten Freunden? Oder doch lieber als Reiseblogger durch aller Herren Länder tingeln und von euren genialen Worten leben? Oder wollt ihr ein Buch schreiben, über eure eigene, persönliche Geschichte, die so noch nie erzählt wurde?

Ich halte solche Träumereien nicht aus. Nicht, weil ich Angst vor der Zukunft hätte oder weil ich bei glücklichen Gedanken das Kotzen kriege. Eher, weil ich eine Horde kleiner Männer in meinem Kopf habe, die jede Idee und jede Vorstellung auf Machbarkeit, Plausibilität und Wahrscheinlichkeit untersuchen.

Wenn mir eine Freundin erzählt, dass sie Mal eine Bar eröffnen will, nicke ich und sage: „Interessant.“. Innerlich läuft eine Liste ab, wie mies die Arbeitsbedingungen in der Gastronomie – selbst für die Chefs – sind, wie gering das Einkommen ist, dass man Psychologe spielen muss, für all die seltsamen Leute, die durch deine Tür kommen, und allerlei andere Nachteile.

Wenn mir jemand sagt, dass er diesen miesen, aber großartig bezahlten Job in irgendeiner Kanzlei nur ein paar Jahre machen will, bis er genug Geld hat und dann etwas machen wird, was ihm richtig am Herzen liegt, nicke ich und sage: „Ah ja? Toll.“ und lasse in meinem Kopf den Vortrag laufen, in dem deutlich wird, dass der Absprung aus der High-Income-Klasse wohl schwerer zu schaffen ist, als das Tschüsssagen zu den eigenen Träumen.

Die kleinen Männchen in meinem Kopf, die Zensoren aller schönen, idealistischen und großartigen Pläne und Träume, sind Arschlöcher. Sie schieben allen Fantastereien einen Realitätsriegel vor und machen mich wohl sehr oft zu einem Spielverderber, wenn es mal wieder um das Thema „Wie stellt ihr euch eigentlich eure Zukunft vor?“ geht.

Es fordert mir nämlich alle Selbstbeherrschung ab, meine Gedanken für mich zu behalten. Während ich beschäftigt bin, mir auf die Zunge zu beißen, schaffe ich es einfach nicht, überzeugend Interesse zu spielen. Meine einsilbigen Antworten werden wohl als Langeweile oder Desinteresse gedeutet, sind aber eher ein Zeichen dafür, dass ich möglichst jedes kritische Wort in meinem Kopf behalten will.

Warum ich meine kritische Meinung nicht jedem ins Gesicht sagen will? Diese Männchen, mit dem Realitätsriegel, der allen Träumen den Weg versperrt, werden zum einen nicht nur aktiv, wenn es um die Pläne anderer Menschen geht. Sie werden auch ganz hibbelig, wenn es um meine eigenen Pläne geht.

Zum anderen war ich früher oft wütend, wenn ich mir unausgegorene Träume anderer angehört habe. Ich hatte das Gefühl, dass jeder mit dem ich sprach, nur die Träume privilegierter Menschen widergab. Als ich gekellnert habe, habe ich etwa nie von meinen Kollegen gehört, dass sie in der Gastronomie bleiben möchten. Der Traum von der eigenen Bar, aber auch andere Fantastereien, war für mich also immer eher Spinnerei von Leuten, die immer nur den lustigen Teil, aber nie die harte Arbeit sahen.

Mittlerweile ist meine Wut aber immer mehr einer Resignation gewichen, wobei ich das nicht negativ meine. Es ist nur so, dass ich das Gefühl habe, dass nichts, ja wirklich nichts so großartig ist, wie man es sich vorstellt, gleichzeitig aber auch nicht so schlimm.

Und darauf lässt sich meine Zürückhaltung, wenn es um „Traum-Kritik“ geht auch schlussendlich reduzieren: Wenn jemand wirklich einen absurden Traum hat, dann wird er entweder irgendwann auf sein Gesicht fallen und mich meiden, weil er das Gefühl hat, ich hätte es vorausgesagt und würde nun darauf warten einen „ich hatte recht“-Tanz aufzuführen, oder er wird seine Pläne umsetzen, was einfach nur bewundernswert und cool ist. In jedem Fall leistet meine Meinung keinen wertvollen Beitrag.

Ob meine Meinung jemanden vor großen Fehlern bewahren könnte? Vielleicht. Aber dann denke ich mir wiederum: Was ist das schlimmste, was realistisch gesehen (ha!) passieren kann? Die Antwort ist meistens: Nichts, was wirklich schlimm ist.

Das liest sich jetzt alles wie ein Aufruf dazu die Klappe zu halten und seine Mitmenschen ins Verderben stürzen lassen. Aber eigentlich ist es nur mein Versuch, anderen die Möglichkeit zu geben, ihre Vorstellungen und Pläne zu teilen.

Im „schlimmsten“ Fall hör ich mir zum 1001. Mal an, was Valentin für eine geile Bar mit seinen besten Freunden Alexander und Maximilian eröffnen will. Ein bisschen neidisch vielleicht, weil ich diese Naivität abgelegt habe bzw. nie das Privileg hatte, sie zu besitzen.

Im „besten“ Fall erzählt mir aber Tatjana, dass sie eigentlich immer schon überlegt hat, Lehrerin zu werden, aber das nie gemacht hat, weil das in ihrer Jugend als „unvernünftig“ galt. Und dann kann ich sagen: „Ach ja? Interessant.“. Und ihr erzählen, wie ich mal Journalistin werden wollte, aber das etwa so illusorisch klang, wie eine Reise zum Mond. Aber jetzt, jetzt habe ich so ein absurdes Hobby. Nur ein kleiner Blog.

Statt naiver Vorstellungen haben die Menschen manchmal nämlich abgelegte Träume, die auf sie absurd und unmöglich wirken, die aber eigentlich einfach nur an den Urteilen ihrer Umgebung gescheitert sind. Und wenn man sich seine eigenen kritischen Kommentare spart, gibt man diesen verworfenen Plänen vielleicht eine zweite Chance.

5 Kommentare zu „Eigene Bar, Buchvertrag, Weltreise: Warum Zukunftsträumereien mich grantig und neidisch machen

  1. guter Artikel – und ein wirklich interessantes Thema. Kenne auch die Rolle, die du beschreibst, der „Spielverderber“ zu sein. Hatte mit solch einem Thema auch schon mal einen richtig üblen Streit mit einer Freundin, die ich seither nicht mehr gesehen habe. Meine Sichtweise: Träume – schön. Auch meine Lösung exakt wie du es machst, träume ich davon Journalistin zu werden setze ich das um, indem ich „wenigstens“ einen Blog schreibe. Weil: Träume zeigen Sehnsüchte, und diese kann man auch ein paar Nummern kleiner leben. Und – wie du auch erkannst hast – die 1:1 Verwirklichung klappt ja sowieso nicht, weil eine Bar eben nicht nur lustig ist.

    Habe noch einen anderen Aspekt, der mich so richtig aufregt: der finanzielle Aspekt. Das war der Kern des Streits mit meiner Freundin und auch das was mich total aufregt, wenn ich in diversen Zeitschriften über Leute lese, die ihre Träume leben. Wie zur Hölle wird das finanziert? Und wieso spricht/schreibt da niemand ernsthaft darüber? Das ist mir verdächtig. Und gehört dazu. Wieviel verdient ein Reiseblogger? Und wer bezahlt überhaupt etwas dafür? Ich habe selbst mal gebloggt und außer alle 2-3 Monate 70 Euro von google adwords war da nada. Zum Beispiel. Woher das Eigenkapital für eine Bar? Was wenn der Laden nicht läuft? Oder eben nur ein paar Jahre, wenn man Glück hat, weil es gerade in ist. Wo sind die Leute, die berichten, wie es sich anfühlt, auf den Schulden sitzen zu bleiben? Was meiner Meinung nach 80% tun, die so toll und unüberlegt ihre Träume leben. Wenn nicht mehr.

    Also – so gesehen finde ich das super schräg. Eine große Lügenseifenblase. Und die Frage ist: wem nützt das eigenlich? Den Banken? Ich weiß nicht, was das soll.

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  2. Hallo Ingrid,

    diesen finanziellen Aspekt finde ich auch immer sehr spannend. Ich erwische mich dabei, wie ich bei jeder „Erfolgsstory“, etwa aus der Startup-Szene, automatisch nach der Herkunft der Protagonisten suche. Damit meine ich nicht mal die geografische, sondern vor allem die sozioökonomische Herkunft. Der Sohn eines Anwalts und einer leitenden Angestellten hat ein Unternehmen gegründet? Wow. Die Tochter eines Uniprofessors hat sich ihren Traum vom eigenen Pferdehof erfüllt? Glückwunsch.

    Ich glaube, dass diese „Erfolgsstorys“ vor allem zeigen sollen: Wenn du es nur hart genug probierst, schaffst du es nach ganz oben! Dabei wird ignoriert, dass man Privilegien, vielleicht auch Glück braucht um Erfolg zu haben. Würde harte Arbeit allein reichen, wäre jede Krankenschwester Millionärin.

    Wie immer finde ich deinen Kommentar aber sehr pointiert formuliert, ich freue mich immer über deine Meinung! 🙂

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  3. Liebe Anna, ich bin durch eine gemeinsame Freundin auf deinen Blog gestoßen und bin hingerissen! Du pointierest, stellst in Frage und reißt klug diesen nervenden hipness-Schleier von den Dingen ohne dabei ätzend zu sein. Mich regen viele Dinge auf, die du in deinem Blog thematisierst, schiebe das aber weg, „weil ich bin ja nur neidisch“: auf die super-tollen Bar/Agentur/Shop/Hostel/killefitz-Ideen von Philipp/Alex/Sophie/Julia bin, auf die clean-chic Wohnungen, auf die Achtsamkeits-Lebensführung mit 4 mal Yoga die Woche und Greensmoothies….. Aber das ist so nicht, sondern es geht um die Attitüde mit der das immer verkauft wird und dass das immer, wirklich immer, alles BIG sein muss! Man will nicht in einer Bar, die man kennt und mag anfangen, nein, man will eine Bar haben. Man will nicht über nen schönen Urlaub mal ne vernünftige Kritik auf tripadvisor verfassen, nein, es ist gleich der Vollzeit-Reiseblogger, der 9 exotische Länder hintereinander bereist, alle bei Sonnenschein versteht sich. Ich finde es viel bewundernswerter langsam einen Traum aufzubauen: Hier mal was zu machen, was einem Freude bereitet und mal da – und dann wird aus einem kleinen Blog irgendwann mehr z.B. eine regelmäßige Kolumne in einer coolen Zeitschrift – was du btw dringend haben solltest!

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    1. Hallo Rike,

      ich hab mir mit der Antwort auf deinen Kommentar Zeit gelassen, weil ich ehrlich zu geschmeichelt war und gar nicht wusste, was ich Kluges darauf sagen soll. Das ist immer noch so und es bleibt nur: Vielen Dank, dass du meine Beiträge liest und ich freu mich sehr, dass sie dir gefallen! 🙂

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