Im falschen Film: Male Gaze hat meinen Kinoabend versaut

Das Ding mit Meinungen ist ja, dass jeder eine hat. Über Kritikermeinungen zu schimpfen ist deshalb etwa so gewitzt wie über Kim Kardashian herzuziehen. Warum ich ersteres trotzdem tue und was nackte Asiatinnen, Tentakel und Quentin Tarantino damit zu tun haben, erfahrt ihr hier.

Das Ding mit Meinungen ist ja, dass jeder eine hat. Über Kritikermeinungen zu schimpfen ist deshalb etwa so gewitzt wie über Kim Kardashian herzuziehen. Warum ich ersteres trotzdem tue und was nackte Asiatinnen, Tentakel und Quentin Tarantino damit zu tun haben, erfahrt ihr hier.

Ich fand Oldboy (das südkoreanische Original) toll. Ein Film über Isolation, Liebe und Rache. Mit dieser speziellen Mischung aus Humor und Gewalt, die in Quentin Tarrantinos Filmen wohl das letzte Mal 1992 zustande kam. Als es dann hieß, Park Chan-wook, der Regiesseur von Oldboy, habe ein neues Projekt, war ich gespannt.

Der Trailer zu „The Handmaiden“ versprach auch viel: Der Film spielt in Korea in den 1930ern, hat schnelle Schnitte, einen verstörend minimalistischer Soundtrack und ein paar angedeutete Plottwists. Ich erwartete einen unkonventionellen Film, der einen neuen, scharfen Blick auf die oft verkitschten Erzählungen aus „dem fernen Osten“ werfen würde.

Schlichtweg: „The Handmaiden“ wäre ein Film, den ich mir zum ersten Mal im Kino und dann mehrmals zuhause ansehen würde. Nachdem ich ihn mir angesehen habe, kann ich sagen: Wow, bin ich wütend. Aber das ist erst die zweite Stufe meiner Emotionen. Zunächst war ich verwirrt.

Der Plot ist schnell erklärt und ich will auch gar keine Wendungen vorwegnehmen: Es geht um ein Hausmädchen, das aber eigentlich die Komplizin eines Trickbetrügers ist und in das Haus eines vermögenden Mannes eingeschleust wird, um dessen Nichte davon zu überzeugen, den Trickbetrüger zu heiraten. Aber nichts ist so wirklich wie es zu Anfang scheint und die Wahrheit wird in drei Filmkapiteln enthüllt.

Es waren aber nicht die vielen Wendungen, die mich verwirrten. Ich war auch nicht schockiert von den expliziten Gewaltdarstellungen und Sexszenen – niemand, der länger als fünf Minuten im Internet verbracht hat, wäre verstört davon – sondern eher irritiert von der Art der Inszenierung: Anstatt mir eine neue Sichtweise auf eine (Liebes-)Geschichte zu zeigen, hat man mich nur durch dieselbe schmierige Linse sehen lassen, mit der auch jeder x-beliebige Softporno gedreht wird.

„The Handmaiden“ war – neben einer überraschend vorhersehbaren Erzählung – eine krude Mischung aus allen sexuellen Vorurteilen, die über japanische bzw. koreanische Männer und Frauen und lesbischen Sex im Allgemeinen im Umlauf zu sein scheinen. Und ja, es kommt auch ein Oktopus vor.

Besonders deutlich wird diese Voreingenommenheit bei der Darstellung des Sexes der beiden Hauptdarstellerinnen: Da ist schummriges Licht, da sind Kimonos, da sind matt-schimmernde Körper und Liebeskugeln. Was nicht da ist: Respekt vor den Charakteren, Empathie in der filmischen Darstellung, nur pure Wollust, die in einer klischeehaften Darstellung ihren Höhepunkt (haha!) findet.

Klar, könnte ich das als asiatischen B-Film abtun und einfach als Kino-Fehltritt abhaken.

Da kommen wir aber auch zu dem Punkt, bei dem ich von Verwirrung zu Wut geschwenkt bin. Mehrere renommierte Filmkritiker bescheinigen dem Film großartig zu sein. Loben die Bildsprache, das atemberaubende Aussehen der Aufnahmen und vor allem auch die sexuelle Freiheit zwischen den beiden Hauptdarstellerinnen.

Zu keinem Zeitpunkt stellt jemand die Frage, ob sexuelle Freiheit wirklich mit dem Anteil nackter Frauenhaut auf der Leinwand steigt.

Erst, als ich bewusst nach anderen, diverseren Stimmen suche (vielen Dank an dieser Stelle an Magdalena Miedl und Julia Pühringer), finde ich meine Verwirrung in Worte gefasst. Da wird präzise argumentiert, dass die Darstellung des (lesbischen) Sexes in diesem Film weniger der Realität oder gar einer weiblichen Vorstellung von Sex folgt, sondern klar nur einem Ziel dient: Dem männlichen Blick zu gefallen.

Hier geht es nicht darum, dass ich den Film schlechter fand, als angepriesen. Hier geht es auch nicht darum, dass ich anderer Meinung bin als irgendwelche Kritiker. Es geht mir darum, dass ich statt Zuseherin plötzlich Hauptdarstellerin im Lehrstück „Warum in einer Minderheit zu sein nach Scheiße stinkt“ war.

Mein Kinoerlebnis war ein kleiner Vorgeschmack davon, wie es so ist, wenn Meinungsbildner eine homogene Gruppe sind, zu der man selbst nicht gehört. Stellt euch mal vor, in Vorständen und politischen Ämtern wäre das auch so. Da würde ich ja glatt glauben, ich wär im falschen Film.

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