„Suck it up so one day you won’t have to suck it in.“ – „No matter how slow you go, you are still lapping everyone on the couch!“: Fickt euch doch mit diesem inspirierenden Scheiß, der im besten Fall platt und im schlimmsten Fall Körperhass getarnt als Ansporn ist. Wer hier Sport-Tipps gegen körperliche Problemzonen erwartet, ist ganz falsch. Es geht hier eher um die Frage, wie Sport hilft, wenn die Zone, die dir Probleme macht, in deinem Kopf zu sein scheint.
Ich bin nicht sportlich. Ich war das Kind, das in den letzten Schultagen lieber ins Museum gegangen wäre, als auf irgendeinen Berg zu wandern. Und ich hab es auch nie geschafft, eine Runde um den Fußballplatz zu laufen, ohne stehenbleiben zu müssen um Luft zu holen. Mehrere Fitness-Abos sind an mir ungenutzt vorbeigezogen.
Als ich dann vor ein paar Jahren nach Berlin kam, war ich einsam. So einsam, dass meine Gedanken eine Spur zu laut, zu krass und zu einnehmend wurden. In meinem Kopf schien laufend Krieg zu herrschen. Ich dachte, ein Hobby hilft mir, raus zu kommen. Aus meiner Wohnung, aus diesem Gedankenstrudel.
Weil ich ja niemanden kannte, musste es etwas sein, was ich allein machen konnte. Inspiriert durch die Geschichte zweier sympathischer Rentnerinnen, die laufen des Laufens willen, dachte ich mir, ich versuche das auch. Kennt mich ja keiner, muss ja keiner wissen, wenn ich versage.
Wäre ich einfach los gelaufen, wäre ich wohl japsend an der ersten Kreuzung fast zusammengebrochen und wieder umgekehrt. Eine Lauf-App bzw. der mitgelieferte Trainingsplan hat mir aber den Einstieg sehr leicht gemacht. Ich war beim Training immer angestrengt, aber nie überanstrengt.
In jeder guten Story wäre das jetzt der Zeitpunkt wo ich sage: Als ich angefangen habe, habe ich geraucht, gerne viel gegessen und Süßigkeiten geliebt. Heute ist mein Leben ein viel besseres und ich bin wie neu geboren.
Sorry, so war es nicht.
Überraschenderweise macht es einen nämlich nicht zu einem besseren Menschen, wenn man sich ab und an in Sportsachen wirft und sich für eine halbe Stunde etwas schneller bewegt als sonst. Es hat mich auch nicht dünner gemacht (und nein, dünner zu sein bedeutet nicht besser zu sein).
Das ist aber auch nicht meine Hauptmotivation. Es sind nicht die Glückshormone, nicht die frische Luft, nicht die kleinen Erfolgserlebnisse, wenn man etwa einen ganzen Kilometer durchlaufen kann.
Der eine Grund, der mich auch bei Wind und Regen nach draußen jagt, ist der Steine-in-der-Waschmaschinen-Effekt: Stellt euch eine Waschmaschine vor, die man mit Steinen belädt und einschaltet. Beim Waschen verschwinden die Steine nicht. Aber ihre scharfen Ecken und Kanten werden abgerieben und die Steine etwas runder. Zugegeben, eine sehr abstruse Metapher, aber sie beschreibt ganz gut, was mit meinen Gedanken beim Laufen passiert.
Wenn ich laufe, denke ich nicht an nichts. Ich denke an alles. An alles ein wenig und an nichts richtig lang. An einem bestimmten Gedanken festzuhalten ist nämlich – zumindest für mich – nicht möglich, wenn ich gleichzeitig versuche, mich für die nächsten zwei Minuten zu motivieren, die ich laufen soll.
In meinem Kopf hat ein Krieg getobt. Gedanken an Job, Freunde, Familie, Politik, Klimawandel: Sie alle sausten in meinem Kopf herum wie Schrapnelle. Ging ich laufen, ist aber ein Waffenstillstand entstanden. Ich wurde ruhiger.
Das ist alles. Klingt vielleicht nach wenig, aber für mich war es eine bahnbrechende Erkenntnis: Wenn ich laufe, werde ich ruhiger.
Dadurch, dass einem Sport immer Allheilmittel für alle möglichen körperlichen Probleme verkauft wird, kam bei mir nie so recht an, dass Bewegung eine Möglichkeit sein könnte, mit meinem Gefühlsleben besser fertig zu werden. Bei mir war es das Laufen. Vielleicht ist „der Trick“ aber für jemand anderen Tischtennis. Oder Minigolf. Oder Hanteltraining.
Wer mich einmal laufen gesehen hat, weiß, dass ich unglaublich langsam bin. Aber ich bin immer schnell genug, um meine Gedanken zu überholen.
Hehe, Laufen ist auch mein neues Hobby seitdem ich ganz alleine nach Wien gezogen bin 😉 Liebe Grüße!
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Ui! Ich würde jetzt anbieten, dass wir mal zusammen laufen gehen, falls wir mal in der selben Stadt sind, aber ich bin WIRKLICH super langsam! 🙂 Liebe Grüße zurück nach Wien!
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